von Jan Bergmann
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E-Sports

Der digitale Wettkampf um Millionen

Seit Jahren steht der E-Sport in einem heißen Diskurs. Es geht vor allem um die Frage, ob der digitale Wettkampf ein anerkannter Sport sein sollte oder nicht. Die Antworten des Deutschen Olympischen Sportbundes, der politischen Akteure und der E-Sportler könnten unterschiedlicher nicht sein.

Der Bildschirm flimmert. Kleine bunte Wesen bewegen sich auf und ab. Die Geräusche des Klickens der Maus und der Tastatur sind nicht zu überhören. Jan Tinnemeier sitzt vor seinem PC. Auf dem Kopf trägt er ein Headset. Seine Augen fokussieren den Bildschirm. Es klingelt an der Tür, aber Jan geht nicht hin. Er zuckt nicht einmal mit der Wimper. Mehr als zwei Stunden geht das so. Dann ist ein lautes langgezogenes „Yeees!“ zu hören. Kurz darauf tippt Jan ein „gg“ auf seiner Tastatur ein. Die zwei Buchstaben stehen für „good game“ (deutsch: gutes Spiel). Jan sackt auf seinem Stuhl zusammen, schüttelt sich einmal und greift zu einem Glas Wasser. Kaum abgesetzt, nuschelt er ein „Easy win boys.“ (deutsch: leichter Sieg Jungs) in sein Headset.

Jan Tinnemeier aus Munster in der Lüneburger Heide gehört zu den bestplazierten deutschen Spielern im Echtzeit-Strategiespiel „Dota 2“. Das Grund-Spielprinzip ist recht einfach: Je fünf Spieler bilden ein Team. Ziel ist es, das eigene Hauptgebäude (ancient genannt) zu verteidigen und das des gegnerischen Teams zu zerstören. Jeder Spieler steuert einen von 115 frei wählbaren Helden. Diese haben unterschiedliche Fähigkeiten, einer ist beispielsweise agiler als der andere. Laut Statista gehört das Fantasy Computerspiel neben League of Legends und World of Warcraft zu den meistgespielten Computerspielen.

Weltweit nutzen E-Sportler diese Spiele für ihre digitalen Wettkämpfe. E-Sports (auch eSports geschrieben) beschreibt den Wettkampf zwischen Menschen mit Hilfe von Computerspielen. Die Teilnehmer, auch E-Sportler genannt, nutzen dazu den
Mehrspielermodus eines Spieles.

„Ich hab mit sechs oder sieben Jahren angefangen Computer zu spielen.“, erklärt Jan zurückblickend. Anfangs waren es vor allem Aufbau-Strategiespiele wie „Die-Siedler“, schiebt er ein. Später ist Jan dann auf „Dota“ gekommen. „Mein Bruder hat mir das gezeigt und ich merkte schnell, dass ich ganz gut war.“ Vor allem die Möglichkeit gegen gleich starke Spieler zu spielen, reizte ihn. „Ich habe einfach täglich gespielt und irgendwann war ich so gut, dass Teams auf mich aufmerksam wurden.“ Für einige Zeit spielte der Munsteraner in solchen Teams und das sehr erfolgreich. Doch dann
begann er im Sommer 2014 eine Ausbildung zum Tischler und ließ die Teamkarriere für drei Jahre ruhen. „Um in Teams zu spielen, benötigt man viel Zeit. Training, Trainingslager oder Turniere sind zeitraubend. Ich war dann wieder solo unterwegs“, erklärt Jan. Nachdem er die Tischlerausbildung im Sommer 2017 erfolgreich absolviert hatte, trat er wieder einem Team bei.

Seit Jahren steht der E-Sport in einem starken Diskurs. Es geht vor allem um die Frage, ob man den digitalen Wettkampf als Sport bezeichnen kann und ihn sogar olympisch werden lässt. So machten sich beispielweise die Piraten im August 2017
via Twitter für eine solche Anerkennung stark. „E-Sports = Sport“ heißt es von Seiten der Partei. Der Deutsche Olympische Sportbund (kurz DOSB) erklärt in einem Gutachten, dass E-Sports für ihn kein Sport sei. Der digitale Wettkampf erfülle drei
wichtige Hauptattribute eines Sportes nicht. Es fehle an Bewegung, Vereinen und einem ethischen Wert, heißt es von Seiten des DOSB.

„Der Sport-Begriff ist eine Defintionsfrage. Ob E-Sports als Sport anerkannt wird oder sogar olympisch wird, ist mir wirklich egal“, verdeutlicht Jan. Doch er macht klar, dass E-Sports für ihn persönlich kein Sport sei. „E-Sports fehlt es an klaren Regeln, durch Spieländerungen kann sich das ganze Spielprinzip ändern“, führt er an. Die DOSB
Entscheidungen bezüglich der fehlenden ethischen Komponente kann Jan allerdings nicht teilen. „Bei klassischen Sportarten wie dem Fechten erwartet auch niemand, dass sich die Wettkämpfer nach dem Sport abstechen“, entgegnet er.

Der netzpolitische Sprecher und jetzige SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sieht die Debatte anders. „Olympia braucht E-Sports stärker als umgekehrt“, erklärt der Politiker. Die riesigen Zuschauer- und Besucherzahlen sprechen dafür. Im Oktober 2015 schauten 15.000 Menschen in der Berliner Mercedes-Benz-Arena das Finale der „League of Legends“ Weltmeisterschaft. Dazu verfolgten rund 36 Millionen das Finale per Livestream. Das südkoreanische Sieger Team bekam eine Millionen US-Dollar. 2016 betrug das Preisgeld für das größte Dota 2 Turnier „The International“ rund
18.580 Millionen US-Dollar.

Die hohe mediale Reichweite machen sich auch große Firmen wie Red Bull zu nutze. Schon früh investierte der Energy-Drink Riese in den E-Sport. Doch über konkrete Zahlen redet das Unternehmen nicht. „Wir sind in allen Belangen, die nicht das Produkt selbst, Events oder Athleten betreffen, sehr zurückhaltend.”, heißt es von Red Bull. Doch eins lässt sich erahnen, die Gelder, die fließen, werden im Millionen Bereich sein. Kaum ein Event wird nicht von dem „Verleiht-Flügel“-Konzern beworben. Jan hat das alles selber erlebt. „Es ist verrückt, wenn dir so viele Leute zusehen, aber unter Druck setzt mich das nicht“, erklärt der E-Sportler. Mit dem digitalen Wettkampf habe er auch noch keine Millionen-Beträge verdient. Vor allem Hardware wie Mäuse, Tastaturen oder Headsets hat der Munsteraner gewonnen.

Ist E-Sport jetzt ein Sport oder nicht?

Laut Wikipedia werden unter dem „Begriff (...) verschiedene Bewegungs-, Spiel- und Wettkampfformen zusammengefasst, die meist im Zusammenhang mit körperlichen Aktivitäten des Menschen stehen (...)“.

Sportwissenschaftler und Gesundheitsexperte Prof. Dr. Ingo Froböse führt an, dass es im E-Sport klar messbare motorische Bewegungen gebe. Die Herzfrequenz eines Schachspielers liege durchschnittlich bei 80 Herzschlägen pro Minute. Schach ist eine anerkannte Sportart. Die eines Bogenschützens liegt Froböse zufolge bei durchschnittlich 150 Herzschlägen, auch dieser Sport ist anerkannt. ESports komme auf 180 Herzschläge pro Minute im Durchschnitt und ist nicht anerkannt. Zum Vergleich: Ein Formel-1 Fahrer kommt auf 190 Herzschläge im Durchschnitt.

Nach Aktivitätsgesichtspunkten wäre E-Sport also ein Sport. Sportwissenschaftler Jun.-Prof. Dr. Thomas Borchert, der sich mit dem E-Sport aus einer wissenschaftlichen Sicht beschäftigt, merkt an, dass der DOSB diese Fakten kenne. „Vergleicht man die Merkmale und Elemente von Sport und E-Sport, so hat man eine hohe Übereinstimmung. Das muss auch der DOSB irgendwann akzeptieren“, fügt er hinzu.

Im Sommer 2011 zeigte der Fernsehsender RTL das Bild eines unsportlichen, sozial inkompetenten und übergewichtigen Computerspielers in einem Beitrag zur Gamescom auf. Ein Irrtum? E-Sportler seien „leistungsfähige, fitnessorientierte“ Sportler, führt Prof. Dr. Ingo Froböse an. Nur wer physisch fit sei, könne auch digital fit sein. „Die meisten E-Sportler achten strikt auf ihre Gesundheit, da so bessere Ergebnisse erzielt werden können. Viele haben eigene Fitness- und Ernährungs-Coaches“, erklärt Jan.

Die Frage, ob E-Sports nun als Sport bezeichnet werden kann, bleibt weiter offen. Auf der einen Seite sprechen Attribute wie die motorische Bewegung oder der Vergleich mit Schach dafür. Das Spiel mit den weißen und schwarzen Figuren ist
anerkannt, obwohl der Sport über eine viel geringe durchschnittliche Herzfrequenz verfügt als der E-Sport. Auf der anderen Seite fehlt ein festes Regelwerk. Die riesigen Zuschauerzahlen wären eine Bereicherung für die viel diskutierte Olympia Teilhabe des Sports.

E-Sportlern wie Jan scheint es egal zu sein. „Ich spiele weiterhin, egal ob E-Sports ein Sport ist oder nicht“, erklärt er. Der digitale Wettkampf wird wohl weiterbestehen, gleich ob als anerkannter Sport oder nicht.

Vor kurzem ist Jan nach Barcelona geflogen, um für das deutsche Team bei den World Electronic Sports Games (kurz WESG) anzutreten. Das WESG ist ein riesiges E-Sport-Turnier. Der Flug und die luxuriöse Unterkunft wurden von einigen Sponsoren bezahlt. Nach dem Turnier geht es für Jan weiter nach Schweden. Dort ist er Coach in einer Art Trainingslager für E-Sportler. Und all das begann mit dem flimmernden Computer in seinem Kinderzimmer. Vom engen Kinderzimmer in die große weite Welt und das alles „nur“ wegen etwas Computerspielen. „Das ist alles so verrückt“, erzählt Jan schmunzelnd.

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